Person im weissen Kittel arbeitet mit Tablet, Symbol fuer digitale Psur Dokumentation und regelmaessige Sicherheitsberichte im medizinischen Umfeld.

Daten, die schützen: Wie Unternehmen Risiken im Blick behalten

In der Pharmabranche und Medizintechnik entscheidet Datenqualität über Sicherheit – und über Vertrauen. Wer Arzneimittel oder Medizinprodukte herstellt, muss nicht nur Wirksamkeit belegen, sondern fortlaufend Risiken bewerten. Der Periodic Safety Update Report (PSUR) ist dabei mehr als ein bürokratisches Muss: Er ist ein Frühwarnsystem. Richtig umgesetzt, zeigt er, wie sorgfältig ein Unternehmen mit Verantwortung umgeht.


1. Warum strukturierte Sicherheitsdaten Leben retten

Sicherheitsberichte sind das Rückgrat der Pharmakovigilanz. Sie bündeln klinische Erkenntnisse, Nebenwirkungsmeldungen und Marktbeobachtungen in einem konsistenten Format. Dadurch erkennen Behörden und Hersteller frühzeitig Signale, die auf neue Risiken hindeuten.
Stellen Sie sich vor: Ein Medikament zeigt in seltenen Fällen unerwartete Reaktionen. Erst durch aggregierte Daten über mehrere Jahre entsteht ein klares Bild – und ermöglicht rechtzeitiges Handeln.

2. Die Bedeutung konsistenter Prozesse

Ohne klar definierte Abläufe wird selbst der beste Datensatz wertlos. Unternehmen müssen daher festlegen, wer welche Informationen sammelt, wie sie geprüft und wann sie weitergeleitet werden.
Ein funktionierendes System besteht meist aus drei Stufen:

  • Erfassung von Ereignissen (z. B. aus klinischen Studien oder Spontanmeldungen)

  • Bewertung nach Schweregrad und Kausalität

  • Berichterstattung in standardisierten Formaten wie PSUR

Diese Struktur ist kein Selbstzweck – sie schafft Nachvollziehbarkeit und reduziert Interpretationsfehler.

3. Digitale Werkzeuge in der Pharmakovigilanz

Moderne Softwarelösungen unterstützen die Auswertung enorm. Machine-Learning-Algorithmen identifizieren Auffälligkeiten, automatisierte Dashboards visualisieren Trends, und Schnittstellen zu regulatorischen Datenbanken vereinfachen die Übermittlung.
Wichtig bleibt jedoch: Technik ersetzt keine fachliche Beurteilung. Der Mensch entscheidet, ob ein Signal relevant ist oder nicht.

Finger bedient digitales Dashboard mit vernetzten Grafiken, Darstellung moderner Psur Datenanalyse und Risikoueberwachung in der Pharmakovigilanz.

4. Verantwortung im Unternehmen – mehr als Compliance

Sicherheitsüberwachung darf nicht nur als regulatorische Pflicht gesehen werden. Sie ist ein Bestandteil der Unternehmenskultur. Wer Transparenz lebt, stärkt das Vertrauen von Patienten, Ärzten und Aufsichtsbehörden gleichermaßen.
Unternehmen, die regelmäßig ihre internen Prozesse überprüfen und Mitarbeitende schulen, minimieren nicht nur Risiken – sie steigern auch ihre Glaubwürdigkeit im Markt.5. Wie Risiken im Alltag sichtbar bleiben

Ein PSUR oder vergleichbarer Bericht ist kein Dokument, das in der Schublade verschwindet. Seine Erkenntnisse sollten in laufende Qualitätsmanagementsysteme einfließen. Praktisch heißt das:

  • Anpassung von Gebrauchsinformationen

  • Schulung des Vertriebs zu neuen Sicherheitsaspekten

  • Aktualisierung von Risikominimierungsmaßnahmen
    So wird aus Papier gelebte Sicherheit.

6. Der Wert von Transparenz gegenüber Behörden

Regulatoren wie EMA, BfArM oder Swissmedic erwarten klare Nachweise über die Überwachung von Produkten. Ein sauberer Bericht mit nachvollziehbaren Quellen kann Prüfungen deutlich erleichtern.
Unternehmen, die ihre Sicherheitsdaten konsequent pflegen, vermeiden nicht nur Beanstandungen – sie verkürzen auch Freigabeprozesse für neue Produkte.


7. Fallbeispiel aus der Praxis – Wie systematische Datenauswertung Risiken sichtbar macht

Ein mittelständischer Hersteller von Medizinprodukten stellte jährlich seine Berichte zur Marktüberwachung zusammen. Bisher schienen keine besonderen Auffälligkeiten vorzuliegen. Doch im aktuellen Datensatz fanden sich vermehrt Rückmeldungen über leichte Hautreizungen bei einem bestimmten Verbandmaterial. Die Reaktionen traten nur bei etwa 0,2 % der Anwender auf – statistisch kaum relevant, aber auffällig genug, um genauer hinzusehen.

Schritt 1: Datenbündelung und Bewertung

Das Vigilanz-Team erfasste sämtliche Meldungen in einer zentralen Datenbank. Anschließend wurden die Fälle nach Region, Altersgruppe und Chargennummer geclustert. Eine Korrelation deutete auf eine spezifische Materialcharge hin, die bei einem Zulieferer gefertigt wurde.

Die Sicherheitsbeauftragten prüften klinische und präklinische Daten, verglichen Produktionsprotokolle und führten Laboranalysen der Materialien durch. Ergebnis: Eine leicht veränderte Zusammensetzung des Klebstoffs war für die Reizungen verantwortlich.

Schritt 2: Kommunikation und Maßnahmen

Noch bevor die Behörde einschritt, informierte das Unternehmen freiwillig alle betroffenen Großhändler und Ärzte. Parallel wurde ein Korrekturplan erstellt: Anpassung des Materials, neue Qualitätsprüfung, zusätzliche Dokumentation im nächsten PSUR.
Die Behörden reagierten positiv auf das proaktive Vorgehen – ein Rückruf war nicht nötig.

Schritt 3: Interne Lehren

Das Unternehmen nutzte den Vorfall, um seine Meldeprozesse zu schärfen. Künftig werden Rückmeldungen aus Service-Hotlines, klinischen Registern und Social-Media-Kanälen automatisiert in die Sicherheitsdatenbank eingespeist. Mitarbeitende erhielten Schulungen, um potenzielle Signale früher zu erkennen.

Das Resultat: Eine gestärkte Sicherheitskultur und ein PSUR, der nicht nur Pflichterfüllung dokumentiert, sondern aktives Risikomanagement belegt.

Erkenntnis aus der Praxis

Frühwarnsysteme funktionieren nur, wenn sie genutzt werden. Die Stärke liegt im Zusammenspiel von Technik und Haltung: Algorithmen entdecken Muster, aber Menschen erkennen ihre Bedeutung. Wer diese Balance beherrscht, kann Risiken kontrollieren, bevor sie Patienten erreichen.


8. Ausblick – Datenkompetenz als Zukunftsfaktor

Die Anforderungen an die Sicherheit steigen. Gleichzeitig wächst die Menge an verfügbaren Informationen rasant. Unternehmen, die frühzeitig in Datenkompetenz investieren, werden langfristig profitieren. Der Schlüssel liegt in der Verbindung von Technologie, Fachwissen und Integrität.

Illustration zeigt ein Team, das Psur Prozesse plant und Datenfluessen auf einem Whiteboard visualisiert, Symbol fuer strukturierte Arzneimittelsicherheit.

Checkliste – Sicherheitsdaten effizient und regelkonform managen

Diese Checkliste unterstützt Qualitätsmanager, Vigilanzbeauftragte und Regulatory-Affairs-Teams dabei, die eigenen Prozesse zu prüfen und Optimierungspotenzial zu erkennen.

Prüfpunkte für sicheres DatenmanagementAbgehakt
1. Verantwortlichkeiten klar definiert? Gibt es benannte Personen für Datenerfassung, Bewertung und Freigabe von Sicherheitsberichten?
2. Datenquellen vollständig integriert? Einschließlich klinischer Studien, Spontanmeldungen, Literatur, Servicemeldungen und Social Media?
3. Standardisierte Bewertungsverfahren vorhanden? Einheitliche Kriterien für Schweregrad, Kausalität und Signalbewertung etabliert?
4. Digitale Tools korrekt eingesetzt? Nutzen von Datenbanken, KI-Analysen oder Automatisierungen wird regelmäßig überprüft?
5. Kommunikationswege dokumentiert? Klare Abläufe für interne Meldungen und externe Berichte an Behörden festgelegt?
6. Schulungen regelmäßig durchgeführt? Mitarbeitende kennen ihre Rolle im Vigilanzprozess und aktuelle regulatorische Anforderungen?
7. Frühwarnindikatoren aktiv beobachtet? Laufende Trendanalysen zur Erkennung potenzieller Risiken implementiert?
8. PSUR-Bericht termingerecht erstellt? Alle Fristen nach EMA-/BfArM-Vorgaben eingehalten und Nachweise dokumentiert?
9. Erkenntnisse in QM-System integriert? Rückkopplung aus PSURs fließt in kontinuierliche Produktverbesserung ein?
10. Lessons Learned festgehalten? Nach Abschluss jedes Berichts werden Prozessverbesserungen dokumentiert und umgesetzt?

9. Verantwortung bleibt persönlich

Am Ende steht nicht das System, sondern der Mensch. Fachkundige, die Sicherheitsberichte erstellen, tragen Verantwortung für Entscheidungen, die Patienten unmittelbar betreffen. Diese Haltung prägt den Unterschied zwischen formaler Erfüllung und echter Qualität.


Wenn Vorsorge Vertrauen schafft

Sicherheit entsteht nicht durch Zufall. Sie entsteht durch Daten, durch klare Prozesse und durch Menschen, die Verantwortung ernst nehmen. Unternehmen, die Risiken systematisch beobachten, handeln nicht nur gesetzeskonform – sie sichern das Vertrauen, auf dem Medizin aufbaut.

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